Willst du einen Hungernden nicht nur einmal, sondern dauerhaft satt machen, so gib ihm keinen Fisch,
sondern lehre ihn das Angeln (bekanntlich oft mit „Fischen“ übersetzt; im Engl. ist
angeln und fischen dasselbe Wort: „to fish“ – im alten China wird’s wohl auch
so gewesen sein, vermute ich mal freihändig).
Diese schlaue fernöstliche Weisheit kennt man – wird oft als Plädoyer
für Hilfe zur Selbsthilfe und gegen die dauerhafte, weil lähmende „Entwicklungshilfe“ angeführt.
Unterschlagen wird häufig, dass der so (sinngemäß wiedergegebene) Spruch des berühmten
chinesischen Philosophen Laotse nur die Einleitung zu weitergehenden
Ausführungen darstellte, die eine noch heute gebräuchliche Blaupause für etablierte Herrschaftssysteme und Sozialstaaten
des 21. Jahrhunderts ist …
Ich hab diese leider in Vergessenheit geratenen Ausführungen des genialen Chinesen mal schnell in zeitgemäße Sprache und geläufige Begrifflichkeiten übersetzt:
…
Und so spricht Laotse: Willst du den dauerhaft gesättigten Angler in Abhängigkeit vom
Kaiser halten, so verpflichte ihn alsbald nach dem Fangen der ersten Fische,
einen kaiserlichen Angelschein zu erwerben, örtliche Gewässernutzungsabgaben zu
entrichten, Mitgliedsgebühren für Angel- und Wasserschutzverbände sowie Industrie-
und Angelkammern zu zahlen. Stelle sodann eifrige Eunuchen, wachsame Funktionäre
und strenge Kontrolleure ein, die die Einhaltung aller Regelungen und
Vorschriften überwachen und bei Verstößen oder bei Bedarf hohe Bußgelder in reinem
Silber von den obrigkeitstreuen Anglern einfordern. Stelle nun Wach- und Sicherheitstruppen auf, die die Eunuchen, Funktionäre und Kontrolleure bei ihrer Tätigkeit beschützen
und ausgewählte Zuwiderhandelnde hart und unerbittlich bestrafen. Köpfe einen,
erziehe hundert! Erhöhe zur Finanzierung des Verwaltungsapparats die kaiserlichen
Gebühren, Zwangsbeiträge und Abgaben für Angler (bzw. Fischer, s. o.) ...
Führe immer neue Abgaben und bußgeldbewehrte Vorschriften ein; sei erfinderisch
und einfallsreich, aber übertreibe nicht! (Anm. d. A.: Ein überspannter Bogen
neigt zum Brechen, sagt Laotse an anderer Stelle.)
Biete dem Angler nun zinsgünstige Darlehen an, damit er buntere,
modernere und bessere Angelausrüstung und -geräte, z. B. hochmoderne Echolot-Geräte
zum Aufspüren von Fischschwärmen und alle zwei Jahre einen neuen kautschukbereiften
Wagen kaufen kann, um auch noch zu den abgelegensten Gewässern und ergiebigeren
Fischgründen zu gelangen und seine Fangerträge zu steigern. Der Angler muss notgedrungen
immer mehr Fische fangen, um nach Entrichtung seines Tributs noch satt zu
werden …
Mache dem Angler mittels Nullzins und bedingten kaiserlichen
Zuschüssen auch den Umstieg auf ein überteuertes, minderwertiges, aber umweltfreundliches
Elektromobil schmackhaft (Anm. d. A.: Laotse spricht hier sibyllinisch von einem
„magischen Gefährt der Täuschung“) …
Da der Angler nun deutlich mehr Fische fange, müsse er auch immer
höher besteuert werden, so die Folgerung. Immer mehr Untertanen würden nun das Angeln
aufgeben und drohten zu verhungern, kommentiert Laotse, was aber eine natürliche
Lösung für die Überbevölkerung sei, die sich infolge der fetten Jahre der „Fischschwemme“
eingestellt habe, was aber niemand offen zugeben könne, so der Philosoph damals schon zynisch.
Man zwinge nun die Fischer, die von mechanischen Apparaturen
(Motoren) angetriebenen Fischerdschunken der kaiserlichen Freunde und Günstlinge
zu steuern und auf ihnen Dienst zu tun. Man halte sie in lebenslanger treuer Knechtschaft,
indem man ihnen täglich die Botschaften des Kaisers vorlese und ihnen
klarmache, wie gut es ihnen gehe ...
Die letzten unabhängigen Angler, die sich in Fanggemeinschaften organisiert
haben, mögen Fangquoten auferlegt bekommen. Eine jugendliche Protestbewegung gegen
das Fangen und Töten von Fischen wird formiert … Das Angeln kann nun verboten
werden.
Man versorge die jetzt versklavte Bevölkerung flächendeckend mit nahrhaftem Fischmehl, das - wie man sagt - aus umweltschonenden
und nachhaltig bewirtschafteten Fischfarmen überseeischer Kolonien stammt …
Damit beschließt also der geniale Laotse seine prophetische Botschaft …