Donnerstag, 28. Mai 2015

Erinnerung

Ist schon lange her. Ein guter Freund von mir ist mal wegen Mordes verurteilt worden. Unschuldig. Davon war ich immer überzeugt. Bin ich eigentlich immer noch. Oder hab ich jemals an ihm, seiner Unschuld gezweifelt? Eigentlich nicht. Für mich war's undenkbar, auch das angebliche Motiv: Auftragsmord. Wegen Geld? Niemals. Nicht plausibel, wenn man ihn gekannt hat. Wie gut habe ich ihn gekannt? Wie gut kennt man überhaupt jemanden? War ein guter Freund, wir hatten mal eine Zeitlang viel unternommen, auch wenn wir uns zur besagten Zeit nur noch selten gesehen haben - er war, so wie ich ihn eingeschätzt habe, verlässlich, aufrichtig, hatte ein gutes Gespür für Gerechtigkeit. Hab all die Jahre oft an ihn gedacht und doch ... werd ich jemals erfahren, was sich dort tatsächlich abgespielt hat? War auch ein reiner Indizienprozess damals, also kein Geständnis, keine Beweise. Der Richter hatte ja offenbar damals keine Zweifel. Eben fast so wie bei diesen seltsamen Justizirrtümern und Fehlurteilen, die erst Jahre später ans Licht kamen und die ja auch irgendwie systemisch bedingt sind. Kam neulich erst wieder eine Dokumentation zu dem Thema ("Unschuldig hinter Gittern - weggesperrt und abgehakt", lief letztens auf zdf.info). Na, das hat es irgendwie wieder aufgewühlt bzw. mir in Erinnerung gebracht. Na ja, was ändert's? Und was weiß ich schon? Hat seine Zeit mittlerweile abgesessen und ist irgendwohin abgetaucht. Mit U-Haft müssen es etwa 15 Jahre gewesen sein. Die Verbindung ist aber schon lange abgerissen. Er ist aus meinem Leben verschwunden wie so viele. Farewell.

Dienstag, 26. Mai 2015

Zur Komplexität

Nicolaus Fest schreibt (bezogen auf eine der unsäglichen Talk-Shows im Zwangsgebühren-TV):
"Zu den wiederkehrenden Phrasen der politischen und medialen Elite gehört die Behauptung von der Komplexität der Probleme, die keine einfachen Antworten erlaube. Die Formel soll den Opponenten für gedanklich jenseits des Satisfaktionsfähigen stellen, gleichzeitig aber den Sprechenden, der ja die Komplexität offenkundig beurteilen kann, erheben. Das ist, da die Bundesrepublik nie eine Expertokratie sein sollte, ein tief undemokratischer Ansatz; zudem ist die Behauptung irrig. Denn tatsächlich gibt es gerade in der Politik viele extrem einfache Antworten, seien die Fragen auch noch so komplex." 

(http://nicolaus-fest.de/ "Pfingsten, die Aussendung des Geistes – und anderes", vom 24. Mai 2015)

So ist es. Das Komplexitätsgeschwätz, verbunden mit Denkverboten, politisch verordnetem Gutmenschentum und dem Kampf gegen abweichende Meinungen, ergo gegen all jene, die tatsächlich oder vermeintlich rechts stehen, führt letztlich zu einer vollständigen Lähmung des gesellschaftlichen Bewusstseins und schafft eine Atmosphäre des Duckmäusertums und verschämten Schweigens. Die behauptete Komplexität vieler (durch die Politik im übrigen selbst geschaffenen) Probleme ist zudem oft nur ein Vorwand: Es ist eine hilflose Rechtfertigung der eigenen Tatenlosigkeit, verbunden mit dem Unwillen, eigene Fehler einzugestehen, sowie der Feigheit, unbequeme Ursachen beim Namen zu nennen.
Man denke an den gordischen Knoten, der wie überliefert von Alexander dem Großen, 333 v. Chr. mit dem Schwert durchtrennt wurde - ein aus heutiger Sicht unvorstellbares Ereignis, da dessen Entwirrung ein höchst komplexes und unlösbares Problem darstellte, über das man wohl ausgiebig und tiefgründig diskutieren könnte, nur um letztlich zu konstatieren, dass man sich im Kreise drehe und dass es keine einfachen Lösungen gebe, die der komplexen Problematik ineinander verschlungener Seilstränge gerecht werden würde.

Samstag, 23. Mai 2015

Nachlese

Starke Szene in einem Film, bei dem ich vorgestern zufällig in eine Sofakuhle gerutscht und liegen geblieben bin: "Wer wenn nicht wir", ein 2011er Film von Andres Veiel.
(Von mir nur aus der Erinnerung zitiert oder sinngemäß wiedergeben):
Bernward Vesper (engagierter linker Verleger und Verlobter von Gudrun Ensslin) trifft Anfang der 70er Jahre in London auf Stokely Carmichael, der damals ein führendes Mitglied der Black Panther-Bewegung war.
B. Vesper ist vollauf begeistert von der kämpferischen Rede des US-Aktivisten (und hält sich selbstredend für einen natürlichen Verbündeten der schwarzen Bürgerrechtler):
"Hey, ich bin aus Deutschland. Wir möchten euren Kampf unterstützen. Lass uns doch deine Reden übersetzen und auf deutsch verbreiten."
Carmichael daraufhin trocken:
"Du willst uns unterstützen? Ich sag Dir, was Du für uns tun kannst: Fahr nach Hause, bring Deine Eltern um, und häng Dich auf."
...


Dem radikalen Schwarzen mit seinem kompromisslosen "Schwarzweiß"-Feindbild gingen die besonderen deutschen Befindlichkeiten am Allerwertesten vorbei. Der deutsche Linke war in den Augen des radikalen Schwarzen nur ein "Weißbrot", bestenfalls ein nützlicher Idiot, aber kein Partner.
Der deutsche Linke hingegen sah sich als Verbündeter der radikalen Black Panther, die seiner Meinung nach "denselben Kampf" (gegen den aufkommenden Faschismus) wie sie kämpfen würden.


Neben ideologischen Dogmen prallten auch unterschiedliche Kulturen aufeinander, was man nie unterschätzen sollte.
Seltsamerweise sind heute andere, religiös begründete Einflüsse so stark und wirkmächtig, dass unter Linken echte Religionskritik im marxistischen Sinne offenbar kein Thema mehr ist bzw. verschämt abgewinkt wird, sobald sie sich sich gegen den Islam richtet. Hängt man da etwa der Ansicht an, streng muslimisch geprägte Volksgruppen würden natürliche Verbündete der Linken bilden und sich dem Kampf für (mehr) soziale Gerechtigkeit, gegen Kapitalismus
etc. anschließen? Das ist doch irrig. Kann nicht glauben, dass dies jemand denkt. 
Christentum ist lediglich harmlose Folklore, Islam ist knallharte Ideologie mit weltlichem Machtanspruch. Woher also diese Scheu? Oder verspricht man sich da Wählerstimmen, so wie es die SPD auch zugibt? Mehr islamische Zuwanderer, mehr Kunden für das eigene Klientel? Ist das die Motivation? Ist pragmatisch, aber gäbe es da irgendeine schlüssige theoretische Fundierung, (die ich nicht kenne)? Würde mich wundern.

Na ja, mir kamen diese Parallelen in den Sinn; war ein guter Film, fand ich ... Alles, was zum Denken anregt, hat seinen Sinn und seine Berechtigung.

Mittwoch, 20. Mai 2015

Labidochromis sp. yellow



Konversation

Gespräch zwischen wartenden Kunden vor dem Bankschalter:
„Haben Sie auch so ein mulmiges Gefühl?“
„Nö. Wieso? Wegen was?“
„Na wegen der Krise, dem Euro und so - die Kriminalität halt ...“
„Hä? Welche Krise? Ist doch alles super. Kriminalität? Gab's doch immer schon. Tun sich halt alle nur was zuverdienen, und Gelegenheit macht Diebe. Die armen Leut' machen das auch nur aus Not. Die Polizei soll halt ihren Job machen. Leben ja von unsern Steuern, die Banausen. Ja, ansonsten gehts uns schon gut. Besser als je zuvor. Wir ham auch gerade wieder nen günstigen Kredit beantragt. Der neue Audi, da ham wa einen Blick drauf geworfen. Die Pension haben wir ja sicher. Lange genug ham wa ja geschuftet als Beamte.
Jetzt müsse ma kräftig Schulden machen, wo die Kanonen donnern und das Blut bald in den Straßen fließt, wie der Kostolany immer sagte. Oder war's der Rothschild oder einer von den Fuggern? Ach na ja, wenn nur die faulen Säcke hier nich immer streiken würden ... Die wissen alle gar net, wie gut's ihnen geht. Mir musste ja damals auch noch richtig ackern ...“ (blabla)

Freitag, 8. Mai 2015

Notierte Erinnerung

An meiner ersten Schule hatten wir einen einarmigen Lehrer. Ich erinnere mich noch gut an ihn, obwohl er in meinem Bewusstsein eigentlich nur als Randfigur abgespeichert ist. Er war ein guter Lehrer. Mit seiner Behinderung, heute würde man Handicap sagen, kam er im schulischen Alltag sehr gut zurecht. Manchmal gönnten wir uns den Spaß und warfen ihm während des Unterrichts irgendwelche Dinge zu, während er an der Tafel schrieb. "Jo, Herr Schubert, fang!" Wir freuten uns diebisch, wenn er erschrak, die Kreide fallen ließ und versuchte, ein zugeworfenes Heft, einen klecksenden Füller oder angefaulten Apfel mit der linken Hand zu fangen. Er war ziemlich gut.
In den Pausen tanzten wir unsere Namen oder verprügelten einen Mitschüler. Manchmal zwangen wir auch jemanden, Sand zu fressen. Wir waren eine leistungsstarke Klasse und hatten viel Spaß. Aus all meinen Schulkameraden ist etwas geworden. Abgesehen von jenen, die sich das Leben genommen haben.